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Zeitzeugen zu Besuch – Geschichte authentisch im Rahmen des Geschichtsfachtages

Am Montag, den 04.09.2017 fand im Rahmen der Thematik des NS-Regimes und des Holocausts der Geschichtsfachtag statt. Zu diesem Zwecke lud die Schulleitung drei Zeitzeugen ein.

Die erste Zeitzeugin, eine Roma (geb. 1938), berichtete davon, wie ihr Dorf (als sie gerade fünf Jahre alt war) von der SS umstellt wurde. Alle Leute sollten sich auf dem dortigen Marktplatz versammeln, wo zunächst Männer und Frauen getrennt wurden. Gruppenweise wurden sie auf  Fahrzeuge verladen, die sie zum Dorffriedhof fuhren, um sie dort zu erschießen. Allerdings wurden die Kugeln nicht für kleine Kinder „verschwendet“, stattdessen wurden diese erschlagen, so die Zeitzeugin. Nur sie und ihre Großmutter überlebten, denn sie konnten vor dem Transport flüchten und sich anschließend verstecken. Sie übernachteten bei verschiedensten Leuten, die sich dazu bereit erklärten, sie aufzunehmen, obwohl sie sich dadurch selbst in Gefahr brachten. In anderen Nächten mussten sie sich in Wäldern verstecken. In einer Nacht wurden sie dabei aber erwischt und mussten für vier Monate in ein Übergangslager, wo sie aber von einem Offizier aus Mitleid frei gelassen wurden. Somit hatten sie Glück im Unglück und konnten das Kriegsende in Freiheit erleben.

Der zweite Zeitzeuge, ein heute 91-jähriger Pole aus einem Vorort von Warschau, berichtete, wie er während des Warschauer Aufstandes mit 17 Jahren nach Auschwitz deportiert wurde. Bei der Ankunft im Lager mussten sich alle komplett ausziehen und in Duschräumen waschen. Anschließend mussten sie sich nackt versammeln und die Nacht auf dem Lagerplatz in der Kälte verbringen. Am nächsten Morgen kam der Zeitzeuge zum ersten Mal mit einem der Wärter in Kontakt: Die Wärter verteilten Suppen und in der Schüssel des Zeitzeugen befanden sich noch Essensreste, die er auskratzen wollte. Daraufhin wurde er wegen Befehlsmissachtung bestraft. Er bekam Kieselsteine auf die Handrücken und musste damit Kniebeugen praktizieren. Wären die Steine heruntergefallen, wäre er ausgepeitscht worden. Zu seinem Glück wurde der beaufsichtigende Wärter an einer anderen Stelle gebraucht, sodass er aufhören konnte. Durch den anstrengenden Transport in den Güterzügen und die kontinuierlich schlimmer werdenden Bestrafungen im Lager wurde er jedoch immer schwächer.
Im Anschluss erzählte er von einem Freund, der zusammen mit seinem Vater ebenfalls nach Auschwitz deportiert worden war. Da der Vater wusste, dass er selbst aufgrund seines Alters und seines geschwächten Zustandes in naher Zukunft sterben würde, gab er seinem Sohn seine magere Essensration, damit wenigstens dieser einer Chance zum Überleben bekäme. Dennoch starb der Sohn aber nur kurz nach seinem Vater an einer Lungenentzündung, die er sich durch eine Bestrafung zugezogen hatte. Er musste drei Stunden nackt mit erhobenen Armen im Dezember in der Kälte im Schnee stehen. Diese Erfahrung war für den Zeitzeugen die Schlimmste während der Zeit im Lager.
Nach all dem Grauen in Auschwitz wurde er nach Buchenwald deportiert. Dort musste er gegen Kriegsende am Todesmarsch teilnehmen. Die Nazis wollten die Gefangenen zu Fuß nach Berlin treiben, jedoch wurden sie bereits am zweiten Tag des Marsches von den Alliierten befreit. Nach seiner Befreiung durch die Aliierten lief zu Fuß den langen Weg von Berlin nach Warschau.

Der dritte und letzte Zeitzeuge berichte, dass er in Auschwitz als Sohn polnischer Eltern geboren wurde. Er vermutet, dass sein Überleben nur dadurch ermöglicht wurde, dass ihn andere Frauen, die Fehlgeburten erlitten hatten, ernährten. Dass er gesund zur Welt kam, erscheint als Wunder, da an seiner Mutter während der Schwangerschaft medizinische „Experimente“ durch Josef Mengele durchgeführt wurden. So wurden ihr zum Beispiel radioaktive Substanzen gespritzt, die Jahre später Krebs auslösten. Seine Mutter starb, als er zwanzig Jahre alt war.

Nach den Berichten der Zeitzeugen folgte eine Fragerunde. Dazu wurde die Stufe aufgeteilt und wir konnten mit unseren Gästen von „Angesicht zu Angesicht“ reden. Dabei wurden sowohl allgemeine als auch sehr persönliche Fragen gestellt, z. B. die Frage, wie sie heute über Deutschland denken. Die Antwort darauf lautete, dass sie  nicht vergessen könnten, was ihnen angetan wurde, sie aber verzeihen könnten. Ihnen sei bewusst, dass die heutige Generation nichts zu den Geschehnissen beigetragen habe und sie keine Schuld träfe.
Auf die Frage, wie es sich anfühle, immer wieder von den Grausamkeiten zu erzählen, kam zurück, dass es ihnen wichtig sei, dass die Erlebnisse geteilt und auch von uns an unsere Nachkommen weitergegeben werden.
Anschließend gingen die einzelnen Kurse zurück in ihre Räume und schauten teilweise den Film „Schindlers Liste“.
Für uns war es ein sehr besonderer und emotionaler Tag. Die Vergangenheit und die damit verbundene Verantwortung sollte allen bewusst sein. An der heutigen Generation liegt es, sich dafür einzusetzen, dass sich so etwas in Zukunft nicht wiederholen kann.

Sehr beeindruckend und unvergesslich für uns war es, dass Daria Schefczyk, die Geschäftsführerin der evangelischen Initiative „ZEICHEN DER HOFFNUNG – ZNAKI NADZIEI e.V.“, Brot und Salz als symbolisches Zeichen für Gastfreundschaft für uns mitgebracht hatte, das wir gemeinsam verzehrten. Im Namen aller Schüler bedanken wir uns herzlichst bei ihr.

Für weitere Informationen besuchen Sie die Internetseite https://zeichen-der-hoffnung.jimdo.com/zeitzeugen/. Dies ist deren Website, dort erhalten Sie alle Informationen die Sie brauchen. Zudem wollen wir sie auf die Möglichkeit eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) in Kooperation mit Polen verweisen https://zeichen-der-hoffnung.jimdo.com/freiwilligenstellen/ .

Laura Mönnich, Luca Impagnatiello (Q3)

Confidentia in futurum