Entlassungsfeier für 106 Abiturienten
Kreisanzeiger vom 12.06.2017
BÜDINGEN – (ten)/Foto: Potengowski. 106 Abiturienten des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums (WEG) wurden am Samstag in der Willi-Zinnkann-Halle verabschiedet. In der abwechslungsreichen Feier bekamen die Schüler viel Lob für ihre Leistungen. Die Lehrer, insbesondere Schulleiterin Dr. Anne Zinngrosch, übten teilweise auch leichte Kritik am System Schule. In ihrer besonderen Form der Begrüßung ließ sie gemeinsam mit Studienleiter Wolfgang Bacher ihrer Leidenschaft für das Theater Raum. Während Letzterer die undankbare Rolle des Lehrers behielt, durfte die Schulleiterin darstellen, wie der kleine Prinz aus dem gleichnamigen Roman von Antoine de Saint-Exupéry wohl heute am WEG aufgenommen würde.
„Das Wichtigste ist, dass es leicht zu kontrollieren ist“, erklärt Bacher, woran sich Wissen in der Schule messen lassen muss. Der Duft der Rose des kleinen Prinzen passt da nicht hinein. „Guter Duft ist ins Kerncurriculum nicht aufgenommen“, weist der Studienleiter ihn zurecht. „Das lässt sich auch nur ganz schlecht kontrollieren und schon gar nicht messen.“ Bacher hält ein Arbeitsblatt mit zahlreichen Fragen zum Thema Rose bereit, deren Sinn für das spätere Leben eines Schülers unklar ist, deren Antworten sich aber leicht bewerten lassen.
Überhaupt hat die Schule sehr klare Vorstellungen vom Leben eines Schülers. „Spielen ist in Zeiten von G8 Zeitverschwendung“, betont Bacher. Freude sei „nicht so wichtig. Hauptsache wir erreichen unsere Kompetenzen“. Dieses Lernen hat für den neugierigen kleinen Prinzen keinen Reiz, weshalb er in dem kurzen Stück, das Zinngrosch und Bacher inszenieren, auf seinen Stern zurückkehrt.
Die Abiturienten des WEG haben ihren Weg in dem Notensystem gefunden, wie Ulrich Busch erklärte. 26 Abiturienten hätten eine Gesamtnote mit einer 1 vor dem Komma. Die besten Schülerinnen mit der Note 1,0, Sonja Farr und Johanna Wiegand, wurden von den Bürgermeistern ihrer Heimatgemeinden Büdingen und Kefenrod, Erich Spamer und Rudi Kessler, geehrt. Spamer überreichte Farr eine Urkunde und einen Stifterpreis der Stadt Büdingen in Höhe von 200 Euro. Johanna Wiegand hatte das beste Ergebnis mit 860 von 900 möglichen Punkten im Abitur erreicht. Sonja Farr blieb nur sieben Punkte hinter ihr.
„Wir sind als Schule stolz darauf, dass sich gerade unsere besten Schüler in ganz vielfältiger Weise engagieren“, betonte Busch, dass den Abiturienten neben dem Lernen noch Raum für soziale Projekte geblieben war. Dazu zählen das frühere Peru-Projekt, das inzwischen in anderen Ländern Betätigungsfelder gefunden hat, ebenso wie Skikurse der Schule oder das Seelsorge- und Beratungsprojekt Wendepunkt. Auch im musikalischen Bereich oder in der Lehrmittelbücherei engagierten sich Schüler neben dem Unterricht.
Ramona Dörr, stellvertretende Vorsitzende des Schulelternbeirats, berichtete aus Elternsicht, was das Abitur der Kinder heute für eine Familie bedeute. Das Team Familie habe im Hintergrund immer bereitgestanden, im Notfall einzugreifen. Teil der Unterstützung sei auch gewesen, Geschwister von dem Abiturienten fernzuhalten, „Nahrung für die Nerven, Baldrian für die Mutter“ zu besorgen. Ihre Rede ließ die Belastungen ahnen, die der Notendruck für das ganze „Team Familie“ bedeuten kann.
Wesentlich lockerer gerieten die Worte des Schülersprechers Niclas Niederwieser, der vorrechnete, wie viel Unterricht in Tagen und Stunden die Abiturienten genossen hatten, bevor sie in die Prüfungen gingen. „Lasst es ordentlich krachen“, wünschte er den Abgängern.
Auch Abiturientensprecher Philipp Händler verstand es, seiner Rede eine eigene Form zu geben, die ausreichend ernsthaft war, ohne unnötig steife Festreden zu imitieren. „Die Ersten sind gescheitert, die Ersten was geworden“, zitierte er einen Rap-Text von Prinz Pi, der eine bedrückende Aktualität für den Jahrgang hat. „Die Ersten wurden Eltern, die Ersten sind gestorben.“ Händler erinnerte daran, „dass wir einige haben, die es auf den letzten Metern nicht geschafft haben, und auch einen sehr guten Freund verloren haben“. Damit spielte er, wie mehrere Redner der Feier, auf den tragischen Unfalltod eines Mitschülers nur wenige Wochen nach den schriftlichen Prüfungen an. Neben der Bühne erinnerte ein Bild mit einer Kerze an den Abiturienten. Viele Mitschüler legten die Rose, die ihnen traditionell mit dem Zeugnis überreicht wird, neben dem Bild ab.
„ABIlity – wir gehen, weil wir’s können“, lautet das Motto des diesjährigen Jahrgangs, mit dem sich die Tutorinnen Katja Euler und Christel Struckhoff-Lawrenz literaturwissenschaftlich auseinandersetzten. Die beiden Tutorinnen kamen in der kritischen Auseinandersetzung mit den erworbenen Kompetenzen der Abiturienten zu einem versöhnlichen Schluss. „Wir gehen, weil wir uns unsere eigene Meinung bilden können, bereit sind, in die Welt hinaus zu gehen und unser Wissen anzuwenden und weiter zu geben“, zitierte Struckhoff-Lawrenz die Begründung eines Schülers für das Motto. „Das klingt wirklich kompetent“, bestätigte Euler.