Am Mittwoch, den 02.04.25 stand nun das zweite Mal innerhalb von zwei Wochen ein Rettungswagen aus Frankfurt auf dem Schulgelände und sorgte für etwas Aufregung. Die angerückten Notfallsanitäter waren aber nicht wegen eines Notfalls zum WEG gekommen. Sie besuchten die Klassen 8b bzw. 8e, um eine Doppelstunde über das Thema Wiederbelebung zu informieren.
Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand steht in den westlichen Industrieländern an dritter Stelle der häufigsten Todesursachen. In Deutschland liegt das Alter der Betroffenen im Durchschnitt bei 70 Jahren – Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Ereignisse passieren zu ca. 70 % im häuslichen Umfeld. Die Laienreanimationsquote liegt in Deutschland bei nicht mal 51 % (vgl. Dänemark: > 70%). Diese gilt es dringend zu steigern, denn der deutsche Rettungsdienst braucht im Schnitt 7 – 8 Minuten um die Einsatzstelle zu erreichen (öffentlicher Jahresbericht 2023 des deutschen Reanimationsregisters). In dieser Zeit sinken die Überlebenschancen ohne Hilfe von außen dramatisch – bereits nach 3-5 Minuten fangen die Zellen an, unwiederbringlich abzusterben.
Um im Notfall zu wissen was zu tun ist, erfuhren die Schülerinnen und Schüler zunächst einmal wie sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand genau erkennen können und wie sie sich über die Notrufnummer 112 Hilfe rufen können. Die Notrufsituation haben sie auch gleich in kleinen Rollenspielen miteinander ausprobiert.
Danach wurde die eigentliche Laienreanimation eines Erwachsenen thematisiert. Da es bei den meisten Schülerinnen und Schülern die erste Schulung zum Thema Wiederbelebung war, wurde sich hierbei auf die Herzdruckmassage fokussiert. Die Leitlinienempfehlung sieht vor, dass sich ungeübte Laienhelfer auf die Brustkorbkompressionen konzentrieren sollen – Beatmungen und der Einsatz von einem AED (automatischer externer Defibrillator) wurden nicht thematisiert.
An einem Erwachsenen-Simulator erklärten die Notfallsanitäter wo der Brustkorb (Mitte der Brust), wie tief (5 – 6 cm) und mit welcher Frequenz (100 – 120 mal pro Minute) komprimiert werden soll. Natürlich wurde auch darüber gesprochen, wie man sich optimal positioniert, damit man diese Aufgabe auch möglichst lange durchhält und wie sich zwei Helfende bei der Herzdruckmassage möglichst effizient ablösen können (alle 2 Minuten).
Nach dem theoretischen Teil folgte dann die praktische Umsetzung. Dafür hatten die Notfallsanitäter 10 Simulatoren im Gepäck, so dass die Jugendlichen unter Anleitung der Fachkräfte die drei Schritte der Hilfemaßnahmen (Prüfen-Rufen-Drücken) in einem freien Training üben konnten. Um den richtigen Rhythmus leichter beizubehalten drangen Lieder wie „Stayin‘ Alive“ aus der mitgebrachten Musikbox. Zwischendurch war auch immer Raum, die zahlreichen Fragen der Teilnehmenden zu klären.
Als Abschluss traten die Jugendlichen zu einer Challenge an: Es galt die Herzdruckmassage in einem 3er-Team für die Dauer des 8-Minuten-Liedes „Lebensretter“ möglichst effektiv durchzuführen. Mit hoher Konzentration, Eifer und Qualität drückten die Teilnehmenden dem 100er Beat folgend auf die Brustkörbe ihrer Simulatoren, achteten gemeinsam darauf die Gütekriterien einzuhalten und sprachen sich ab, um den Kompressionsgeber möglichst unterbrechungsfrei durch zu tauschen. Es war anstrengend, aber alle wirkten stolz auf die erfolgreiche Durchführung. Für die Notfallsanitäter stand danach fest: wenn alle Herz-Kreislauf-Stillstände auf diese Weise durch Laienhelfer behandelt werden würden, wären die Überlebenschancen ihrer Patienten deutlich größer.
Vielen Dank – macht weiter so, das war großartig!
In der anschließenden Unterrichtsstunde wurden die Schülerinnen und Schüler dann zur Datenerhebung gebeten um einen Fragebogen auszufüllen und die Herzdruckmassage für 2 Minuten am Simulator durchzuführen. Denn die Unterrichtseinheit nimmt den zentralen Punkt einer Interventionsstudie für die Bachelorthesis eines der angereisten Ausbilder ein, die die Effekte und die physische Leistungsfähigkeit der Jugendlichen untersuchen soll. Dafür hatten die Teilnehmenden im Vorfeld bereits einmal einen anonymisierten Fragebogen zu dem Thema ausgefüllt.
Hintergrund ist die Empfehlung der Kultusministerkonferenz von 2014, den Wiederbelebungsunterricht (90min / Jahr) an weiterführenden Schulen ab der 7. Klasse flächendeckend einzuführen. Hessen hat dieses Projekt in den letzten Jahren zunächst an 30 Projektschulen gestartet und baut dieses gerade weiter aus. Ziel ist es, den Wiederbelebungsunterricht in den 7. Klassen in den nächsten drei Jahren flächendeckend zu etablieren (kultus.hessen.de).
Übrigens: Im Juni wird der Rettungswagen voraussichtlich ein weiteres Mal auf dem Schulhof stehen – da gucken wir ob sich die Effekte des Unterrichts und die praktische Umsetzung in den beiden Klassen verändert haben.
Danke an die Schulleitung, das unterstützende Kollegium und besonders an die Teilnehmenden der Studie für die Unterstützung und Zusammenarbeit.
Weitere Informationen zum Thema Wiederbelebung findet ihr unter einlebenretten.de oder grc-org.de.
Jeder kann ein Leben Retten – alles was man dazu braucht sind zwei Hände.
Max Kalwat




