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Wen würden Büdinger Schüler wählen?

Kreisanzeiger vom 14.09.2018 – Text: Susanne Kleinmann/ Foto: Björn Leo

Gehen junge Menschen zur Wahl? Wie wichtig ist ihnen die Demokratie, sind ihnen ihre demokratischen Mitbestimmungsrechte? Welche Themen sind für Schüler entscheidend? Haben sie überhaupt einen Bezug zur Politik? Diesen Fragen gehen die Schule am Dohlberg und das benachbarte Wolfgang-Ernst-Gymnasium in Zusammenarbeit mit dem Büdinger Bündnis für Demokratie und Vielfalt nach.
Gemeinsam haben sie eine fiktive Wahl organisiert. Im Vorfeld haben die Schüler die Möglichkeit bekommen, sich während einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Parteien, die jüngsten Umfrageergebnissen nach in den Landtag gewählt werden würden, auseinanderzusetzen. Diese Runde fand jetzt in der Mehrzweckhalle des Schulzentrums am Dohlberg statt. An den drei darauffolgenden Schultagen können die Schüler dann ihre Stimme abgeben. Wie bei der Landtagswahl am 28. Oktober gibt es Wahlkabinen und -urnen, die von der Stadt Büdingen gestellt werden. An der fiktiven Wahl nehmen etwa 350 Schüler der beiden Schulen teil, alle sind über 16.
Schon während der Vorstellungsrunde wird schnell klar, welche Parteivertreter die Themen der Schüler ansprechen. „Wenn wir in den Jemen, nach Syrien oder in andere Kriegsgebiete Waffen liefern, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich die Menschen, die dort leben, auf den Weg nach Europa machen“, erklärt Julian Eder aus Nieder-Wöllstadt, Mitglied des Kreisvorstands der Linksjugend, der Jugendorganisation der Linken. Mit seinen Statements zu den Themen Umweltschutz, Rassismus und Ungleichheit der Vermögen erntet er großen Applaus. Besonders mit der Aussage, er könne es nicht ertragen, dass rechte Hetzer und Rassisten in der Gesellschaft etwas zu sagen haben.
Auch Lukas Dittrich, Vorsitzender der Jusos Wetterau, trifft häufig den Nerv der Schüler. Bildung dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein, meint der Niddataler. Für die Jungen Liberalen ist Andreas Schlaf nach Büdingen gekommen, die Junge Union wird durch Leon Clemens Sehrt aus Reichelsheim vertreten. Er gehört dem Kreisvorstand der CDU-Jugendorganisation an.
Die Debatte leitet Mathies Hohm, Moderator beim Hessischen Rundfunk. Vier Themenbereiche haben sich die Organisatoren der Veranstaltung im Vorfeld überlegt. Jan Eckardt, Lehrer des Büdinger Gymnasiums, hat aktuell einen Leistungskurs Politik und Wirtschaft, mit dem er intensiv über die Landtagswahl und demokratische Grundwerte diskutiert hat. Gemeinsam mit seinen Schülern hat er über Flüchtlingspolitik, Migration, ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften, Arbeit und Soziales sowie über die Digitalisierung gesprochen. Diese Bereiche, das merkt man auch während der Diskussion in der großen Halle, interessieren die Schüler sehr.
Schon beim Thema Flüchtlingspolitik werden die unterschiedlichen Positionen rasch deutlich. „Die Flüchtlinge kosten uns 100 Milliarden Euro im Jahr, das Gesundheitswesen leidet. Wir haben wegen der Flüchtlinge längere Wartezeiten im Gesundheitswesen. Sie nehmen uns den Wohnraum weg“, sagt Sascha Loppnow, Mitglied des Landesvorstands der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD. Dem widerspricht Nehar Corolla, der dem Kreisvorstand der Wetterauer Grünen angehört. Wirtschaftliche Probleme hätten nichts mit den Flüchtlingen zu tun. Und auch die Schüler scheinen nicht ganz überzeugt. In einer Fragerunde wendet sich Lotte Neuhaus, eine Schülerin des Leistungskurses Politik und Wirtschaft, direkt an Sascha Loppnow: „Wie kommst Du denn auf die Zahl von 100 Milliarden Euro Kosten für die Flüchtlinge?“ Es sei eine ungefähre Schätzung, was Polizei- und Verwaltungsarbeit kosten. Neuhaus hakt nach. Wer die Schätzung denn erhoben habe, wollte sie wissen. Es sei einfach eine Schätzung, lautet die Antwort. Die Schülerin überzeugt das nicht.
Doch zu viele andere Fragen warten noch darauf, beantwortet zu werden. Helmut Walter, Lehrer am Gymnasium, fehlt ein wenig die Kontroversität in der Diskussion. „Gerade die Vertreter der politischen Mitte bleiben in ihren Aussagen doch sehr nah beieinander.“ Spannend bleibt nun der Ausgang der Wahl, der in der kommenden Woche bekanntgegeben wird.

Confidentia in futurum