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Mo Asumang stellt an Gymnasien in Büdingen und Nidda vor 400 Schülern ihr Buch “ Mo und die Arier“ vor

Kreisanzeiger vom 19.09.2016 – Text: Bruno Rieb

BÜDINGEN /NIDDA (rie). Die Schüler sind neugierig auf Mo Asumang und ihre Erfahrungen mit Rassisten und Neonazis. Ob sie Angst gehabt hat bei den Begegnungen, ob sie Wut auf Rassisten hat, ob sie sachlich mit den Neonazis reden konnte, fragen sie die Autorin, die das Buch „Mo und die Arier – Allein unter Rassisten und Neonazis“ geschrieben hat. Andreas Matlé von der Ovag hat Lesungen an den Gymnasien in Büdingen und Nidda organisiert. Insgesamt knapp 400 Schüler sind gekommen.
Beide Lesungen beginnt Asumang mit ihrem Schlüsselerlebnis: Dem Song „Die Kugel ist für dich, Mo Asumang“ der Band „White Aryan Rebels“. „Mein erster Impuls: Angst! Ein Ziepen in der Unterlippe. Leichte Übelkeit“, liest sie vor. In der Aula des Büdinger Wolfgang-Ernst-Gymnasiums hören ihr 180 Schüler zu. Im Gymnasium Nidda sind es knapp 200. Asumang ist Afrodeutsche, geboren und aufgewachsen in Kassel. Der Vater kommt aus Ghana, die Mutter ist Deutsche. Der Song war für sie Anlass, den direkten Kontakt zu Neonazis und Rassisten zu suchen.
Wie es ihr an der Schule ergangen ist, will eine Schülerin in Nidda von Asumang wissen. Dort sei es eigentlich ganz in Ordnung gewesen. „Ich war der bunte Tupfer“, sagt Asumang. Später, als sie mit ihrem Freund in einen Club wollte, sei sie abgewiesen worden: „Die Schwarze bleibt draußen.“ Ihr Freund habe daraufhin neun Stinkbomben in den Club geworden. „Danach kam keiner mehr rein.“ Die Leute seien verblüfft, wenn sie sagt, dass sie aus Kassel kommt, erzählt Asumang . Sie wollten wissen, woher sie wirklich komme. „Der Rassismus nimmt dir die Kraft“, stellt sie fest. „Das bremst einen richtig aus.“
img_1985bSie liest die Passage aus ihrem Buch über die Begegnung mit dem NPD-Funktionär Jürgen Rieger, der sie mit rassistischen Theorien traktiert. Ihre Botschaft an den Nazi und alle Rassisten: „Hallo Herr Rieger, wir sind Homo sapiens, und wir haben blonde Löckchen oder dunkle, haben glatte Haare oder nicht, sind dick, dünn, groß oder klein, mal mit braunen, grünen oder blauen Augen. Sind alle gleichermaßen schön. Sind Homo sapiens. Deshalb zur Info, es gibt keine ,Menschenrassen‘, der Mensch (an sich) ist die ,Rasse‘.“
Ob sie Angst gehabt habe, als sie zu den Rassisten gegangen ist, will eine Schülerin in Büdingen wissen. Als sie zu einer Demonstration von 3000 Neonazis in Berlin gegangen ist, „da habe ich richtig Angst gehabt“, erzählt Asumang . Aber: „Dann stand ich vor den Leuten real und die waren verunsichert.“ Die hätten „noch nie mit jemandem gesprochen, der eine andere Hautfarbe hat“. Asumang unterscheidet zwischen den rassistischen Ideologen und Schlägern auf der einen Seite. „Da kannst du nichts machen“, sagt sie. Andererseits gebe es die mit rechtem Gedankengut aus der Mitte der Gesellschaft. „Denen kann man begegnen, aber nicht im Pulk“, erklärt sie. Sie suche bewusst die persönliche Situation.
Ob sie schon einmal einen Neonazi überzeugt habe, will ein Schüler in Büdingen wissen. Mo Asumang erzählt von Chris, dem Aussteiger aus der rechten Szene, mit dem sie inzwischen befreundet ist. Den habe die Begegnung mit einem 15-jährigen Mädchen zum Nachdenken gebracht, das beharrlich wissen wollte, warum er Nazi ist. „Da hat es bei ihm ,Peng‘ gemacht“, sagt Asumang und fährt fort: „Auf der Ebene kann man noch etwas verändern.“ Sie fragt die Schüler in Büdingen: „Wie alt seid ihr?“ „15!“, schallt es zurück.
Ob sie angesichts der AfD-Wahlerfolge noch mehr Angst habe, will ein Schüler in Nidda wissen. Sie bekomme immer noch Morddrohungen, antwortet Asumang. Eine sei gewesen: „Ich hoffe, dass du im nächsten Rassenkrieg vernichtet wirst.“ Durch die Rechtspopulisten werde das hochgeschaukelt. Aber Asumang ist zuversichtlich: „Ich glaube, dass wir das hinkriegen. Vielfalt ist eine gute Sache.“ Sie spricht vom „zivilen Ungehorsam als Plan B“. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“, sagt sie.
Mo Asumang erreicht die Schüler in beiden Lesungen schnell, rasch wird sie mit Fragen überhäuft. In Nidda kommt sie kaum zum Lesen, so viele Fragen werden gestellt. Die Schüler bleiben dort auch nach Schulschluss noch sitzen, um ihr zuzuhören. Ihr Ton trifft ihre Herzen.
Beide Lesungen beendet Asumang mit einer Passage aus ihrem Auftritt beim Dating-Portal „Odin Kontaktanzeigen: der Anzeigenmarkt von Patrioten für Patrioten“. Auf dem suchen „Nazis was zum Poppen“, so Asumang. Sie loggt sie sich mit einem Jugendfoto ihrer Mutter ein. Profilname: Moni_in_Berlin. Sie hat Erfolg und bald ein Date. „Was bleibt von einem Nazi, wenn er poppen will?“, fragt sie sich. Nichts. Ihr Date „Jörg“ wundert sich zwar: „Tut mir leid, aber ich habe mir nicht vorgestellt, dass du braun bist, weil du dich in ein nationales Forum eingeschrieben hast“, aber er fragt gleich: „Und? Wo wollen wir hingehen? Hast du dir schon was überlegt?“ Asumang wundert sich: „Habe ich eben richtig gehört? Wo verdammt blieb die Entrüstung und die Ablehnung?“ Sie zeigt ihm ihr Babyalbum mit ihrem Vater, der auf dem Bild so frei lacht, „dass auch ein Nazi Schwierigkeiten hat, seine Hassmaschine anzuschmeißen“. „Jörg“ wirft das Handtuch. “ ‚Ich hab jetzt och keen Bock mehr’ sagt er ganz ehrlich. Ich geb ihm zum Abschied die Hand, warum soll ich das nicht machen?“, liest Asumang vor.


Mo Asumang – Allein unter Rassisten

Am Freitag, dem 16.09.2016 besuchte die afrodeutsche Fernsehmoderatorin Mo Asumang unsere Schule, um sowohl von ihrem Buch „Mo und die Arier“ als auch von einigen Erfahrungen aus ihrem Leben zu berichten. Ihr Aufenthalt an unserer Schule war Auftakt für die „offizielle“ Lesung aus ihrem Buch, die am Abend im Rahmen der „Interkulturellen Woche“ in Friedberg stattfand.

Mo Asumang arbeitete lange als TV-Moderatorin, bis eine Neonazi-Band ein Lied mit Morddrohungen gegen sie veröffentlichte. Sie erzählte uns von dem Tag, an dem sie im Studio das Lied vorgespielt bekam. Erfüllt von Angst machte sie sich abends auf den Nachhauseweg und beschloss letztendlich, sich den Nazis entgegenzustellen. Man kennt Asumang vielleicht von Fernsehberichten, in denen sie sich beispielsweise unter mehrere Tausend Neonazis auf einer Demonstration mischt und mit den Rassisten dort in Kontakt tritt; sie reiste nach Amerika, um Anhänger des Ku-Klux-Klans zu treffen und interviewte den NPD-Anwalt Jürgen Rieger.

Mo Asumang hat in ihrem Leben schon viele Anfeindungen über sich ergehen lassen müssen. Mal wurde sie „nur“ weggeschubst, mal von einem Neonazi in der Straßenbahn angegriffen. Von diesen Erfahrungen berichtet sie in ihrem Buch, aus dem sie auch Textstellen vorlas. Manche Dinge, von denen Asumang berichtete, schienen abstrus oder fiktional, aber es gibt doch tatsächlich Menschen, die davon überzeugt sind, dass die „Arier“ von einem anderen Planeten kämen und daher weitaus besser und intelligenter seien als jegliche andere Völker dieser Erde.

Begleitet von einem Kamerateam stellte sich die Moderatorin in eine Menge von Neonazis auf dem abgesperrten Alexanderplatz in Berlin und trotzte den bösen Blicken und Gesten. Nach einer Dreiviertelstunde wurde sie von einem dieser Rassisten angetippt und nach einem Selfie gefragt. Sie hatte sicher viel erwartet, aber damit habe sie, wie sie erzählte, wirklich nicht gerechnet.
Sie berichtete ebenfalls von einem ihrer Freunde, der jahrelang Teil der Neonazi-Szene war und ihr von seinen Eindrücken dort erzählte. Aufgrund einer Begegnung mit einem jungen Mädchen fasste er den Entschluss, aus der Szene auszusteigen. Ein Mädchen hatte ihn auf der Straße angesprochen, warum er denn Nazi sei und was ihm das denn bringe. Von diesem Moment an begann er, sich das erste Mal in seinem Leben Gedanken darüber zu machen, wie sinnvoll diese Ideologie überhaupt sei.
Das ist ebenfalls das Ziel Asumangs: Mit Rassisten in Kontakt treten und sich mit ihnen über ihre Auffassungen und Gedanken unterhalten. Mo Asumang ist ein Vorbild. Sie vermittelt Mut, um sich gegen Anfeindungen jeglicher Art zu wehren.

An diesem Tag haben sicher alle Zuhörer einiges an Eindrücken mitgenommen. Das Gehörte regte zum Nachdenken an, wie schwer es für Menschen mit ausländischen Wurzeln in unserer Gesellschaft ist. Hier sind Akzeptanz und Toleranz gefragt. Für viele Menschen sind das leider oft noch Fremdwörter.

Noah Kraus (Stufe E)

Confidentia in futurum