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Mit Pythagoras das Beweisen lernen

Habt ihr schon einmal versucht, unterschiedlich große Quadrate zu einem Quadrat zu vereinigen?
Diese Aufgabe war der Auftakt der Klassen 9c und 9d in den Lehrstückunterricht zum Satz des Pythagoras. Nach unzähligen Ideen, fast genauso vielen Misserfolgen und mit einem kleinen Tipp von Sokrates gelang schließlich das Kunststück. Das Ergebnis hängt seitdem in beiden Klassenräumen an der Wand und erinnert als Denkbild an die mühsame Arbeit und an den entscheidenden Einfall.
Die Schülerinnen und Schüler haben durch die Quadratvereinigung den berühmten (berühmtesten?) Satz der Mathematik „aus Versehen“ bewiesen. Der Satz des Pythagoras ist auch deshalb so erstaunlich, da die geläufige Formel a²+b²=c² auf ganz unterschiedlichen und sehr vielen Wegen bewiesen werden kann. Dies nahmen wir zum Anlass, um die Tätigkeit des Beweisens an sich zum Thema zu machen. Die Schülerinnen und Schüler lernten unter anderem die Beweisideen von Euklid von Alexandria, Leonardo Da Vinci und sogar von einem ehemaligen amerikanischen Präsidenten kennen.

Das Unterrichtsvorhaben wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Augsburg durchgeführt. Der Projektleiter, Dr. Mario Gerwig, beschreibt das Projekt wie folgt:
Die Möglichkeit, Aussagen ein für allemal zu beweisen, ist ein Privileg, das der Mathematik vorbehalten ist. Andere Wissenschaften und Fachgebiete wechseln ihre Paradigmen, Modelle, Techniken oder Ansichten in zum Teil schneller Folge oder sind abhängig von Kultur, Zeitgeist oder anderen äußeren Parametern. Die Universalität der Mathematik ist eines der herausragenden Alleinstellungsmerkmale dieser Wissenschaft und der Begriff des Beweises ist eine Hauptschlagader der Mathematik. Doch empirische Studien zeigen, dass viele Lernende keinen Zugang zur mathematischen Argumentationskultur finden, woraus eine große, fachdidaktische Herausforderung resultiert: Es ist nach wie vor ein mathematikdidaktisches Zentralproblem, das Alleinstellungsmerkmal des Beweisens so in den Unterricht zu bringen, dass für die Lernenden neben den konkreten Beweisen auch die dahinter liegende Denkhaltung verstehbar wird.

Ein Forschungsprojekt der Universität Augsburg untersucht zurzeit, wie Schülerinnen und Schüler in einem Mathematikunterricht zum Beweisen miteinander kommunizieren, welche Argumentationsstrukturen dabei sichtbar werden und welche Rolle das Beweisen dabei spielt. Grundlage ist eine lehrkunstdidaktische Unterrichtseinheit zum Satz des Pythagoras. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler von einem Phänomen gepackt werden, das sie nicht aufklären können, aber aufklären wollen, das sie in eine freie Wechselwirkung mit der zu erschließenden Sache bringt, in welcher sich Phasen der Einsicht und Krisen des Verstehens abwechseln und die geprägt sind von der gemeinsamen Arbeit an der Erkenntnis ohne Zeitdruck. Die Klassen 9c und 9d haben gemeinsam mit ihrem Mathematiklehrer Frieder Beck an dieser Studie teilgenommen. Wann die ersten Ergebnisse vorliegen ist noch nicht bekannt.

Jetzt sind Sie an der Reihe: Basteln Sie sich zwei verschieden große Quadrate und finden sie einen Weg, wie man die beiden Quadrate zu einem Quadrat vereinigen kann. (BK)

Confidentia in futurum