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Schüler stellen Projekt „Augen auf – Rassismus schläft nicht“ vor

Kreisanzeiger vom 11.12.2016 – Foto: Müller

BÜDINGEN – (mü). Sie sind Jugendliche, 16 und 17 Jahre alt, doch sie legen ihre Motivation und ihre Ziele so pointiert, authentisch und reflektiert dar, dass mancher erwachsene Politiker von ihnen lernen könnte: Johannes Ruppert (stellvertretender Schulsprecher), Niclas Niederwieser (Schulsprecher), Robine Müller, Hannah Kurt und Luca Impagnatiello, Schüler des Büdinger Wolfgang-Ernst-Gymnasiums, engagieren sich seit 2012 im Projekt „Augen auf – Rassismus schläft nicht“.

Gemeinsam mit Projektleiter Claus Wilkens, Fachbereichsleiter Dr. Rainer Gromers und Schulleiterin Dr. Anne Zingrosch nahmen sie zusammen mit 25 weiteren Schülern für diesen Einsatz erst kürzlich den Wetterauer Schulpreis aus den Händen von Landrat Joachim Arnold und Schuldezernent Jan Weckler entgegen. Jetzt stellten Schüler und Lehrer den Werdegang und die Perspektiven des Projektes vor.

Am Anfang, erklären die Schüler, standen persönliches Interesse, manchmal auch ein eigener Migrationshintergrund, kombiniert mit Erfahrungen von unterschwelligem oder offensichtlichem Rassismus an der Schule, im Freundeskreis, im Dorf. „Andererseits wird das Wolfgang-Ernst-Gymnasium allein in der Jahrgangsstufe sechs von Schülern aus 26 Nationen besucht“, sagt Schulleiterin Zingrosch – ein konstruktives, friedliches Miteinander ist innerhalb der Schulgemeinde also eine unabdingbare Notwendigkeit. Lange bevor Geflüchtete in Büdingen eine neue Heimat suchten und die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen begründet wurde, begannen die Schüler, den Gründen für Rassismus, Radikalisierung und Extremismus jeglicher Couleur sowie der Angst vor allem, was fremd und anders ist, auf den Grund zu gehen. Sie nahmen sich Lehrer und externe Fachkräfte zu Hilfe, forschten nach und brachten ihre Erkenntnisse in Form von Plakaten, Wandzeitungen und Ausstellungen zu Papier, organisierten Quizrunden und Gewinnspiele. Sie holten Vertreter der Politik, der Weltreligionen, der städtischen und überregionalen demokratischen Netzwerke an die Schule, starteten eine Vortrags- und Diskussionsreihe mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen des Holocaust, besuchten das Konzentrationslager Auschwitz. Internationale Autoren wurden zu Lesungen gebeten – so die Regisseurin Mo Asumang („Mo und die Arier“, 2016) – Filme wie „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014) und „Die Welle“ (2008) in der Schulgemeinde erörtert, „Die Welle“ wurde auch als Theaterstück auf die Schulbühne gebracht, um die Sogwirkung fanatischer Ideen in den Rollen am eigenen Leib zu erfahren und einem tief betroffenen Publikum mitzuteilen.

Während Projektleiter Claus Wilkens im Zuge der Pressekonferenz diese Jahre per Präsentation Revue passieren lässt, amüsieren sich die anwesenden Schüler zum einen darüber, wie „jung“ sie beim Start des Projektes waren – und resümieren andererseits nicht ohne Stolz, was sich seitdem an ihrer Schule verändert hat: „Wir kommen nicht mehr nur hierher, um jeder für sich seinen eigenen Weg zu gehen“, sagt Johannes Ruppert. „Wir lernen aus dem Leben und für das Leben. Wir üben uns darin, wach zu sein, unser eigenes Verhalten, das der Mitschüler und der Erwachsenen immer wieder zu reflektieren, nichts als gegeben hinzunehmen.“

„Wir haben eine Verpflichtung zur Aufklärung gegenüber den Jüngeren an unserer Schule“, stellt Schulsprecher Niclas Niederwieser fest. Hannah Kurt und Luca Impagnatiello unterstreichen: „Mobbing jeglicher Art muss offen angesprochen und gemeinsam bewältigt werden.“ Robine Müller hat ein konkretes Beispiel: „Neulich hat jemand in der Cafeteria behauptet, Homosexuelle seien keine Menschen. Da hat einer, der gar nicht in unserer Projektgruppe mitarbeitet, widersprochen – anschließend sind alle anwesenden Jugendlichen einfach aufgestanden und weggegangen, sodass der Lästerer allein am Tisch zurückblieb.“

Auch die Lehrer unterstreichen, dass sich das Schulklima unter der Einwirkung des Anti-Rassismus-Projektes verändert habe, dass die Arbeit im Kollegium fächerübergreifender geworden sei, der Kontakt zu den Schülern vielfach auf Augenhöhe verlaufe. Der Schulpreis sei Ergebnis dieser Entwicklung und zugleich Katalysator für neue Aktivitäten, erklärt Schulleiterin Zingrosch. Fachbereichsleiter Dr. Rainer Gromers legt den Schwerpunkt auf die Möglichkeiten des demokratischen Staatswesens: Dessen Aufbau und die aktiven Gestaltungschancen für den einzelnen, auch den jungen Menschen, müssten den Schülern in Zukunft noch deutlicher vor Augen geführt werden. „Es ist ein Privileg, hier zu leben und so viele politische, religiöse und soziale Rechte zu genießen“, sagt Robine Müller abschließend. „Es lohnt sich, wenn man sich das selbst und anderen immer wieder klarmacht und sich für diese Freiheiten einsetzt.“

Confidentia in futurum