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Ich, du, er, sie, es, WIR, Ihr, sie

Wer ist „WIR“ –gesamtgesellschaftlich gesehen? Es gibt keine Definition und im kollektiven Bewusstsein unseres Landes ist keine konkrete Vorstellung von „WIR“ verankert. So die These von Dr. Christof Eichert, Vorstand der Herbert-Quandt-Stiftung, der am Donnerstag, 17.11.2016 im Büdinger Oberhof einen hörenswerten Vortrag zum Thema „WIR“-Gefühl hielt. Eingeladen hatte das Büdinger Bündnis für Demokratie und Vielfalt, zu dessen Mitgliedern auch das  WEG-Projekt „Augen auf – Rassismus schläft nicht!“ zählt.

In einer Gesellschaft besteht immer der Wunsch nach Homogenität; alle Menschen sollen genauso sein, so leben  wie „WIR“. Das Zusammensein mit Unseresgleichen stellt unsere Komfortzone dar, die wir ungerne verlassen. Wie wäre es, zu denken, dass jenseits  unseres Lebensbereichs auch noch interessante Menschen leben, die kennenzulernen bereichernd sein kann? Dann müssen wir uns „raus“ trauen, unsere diffuse Vorstellung von den „Anderen“  zurückstellen und im konkreten Kontakt mit dieser anderen Welt unsere (Vor-)Urteile entweder bestätigt oder korrigiert zu bekommen. Wir sollten uns der Vielfalt stellen. Die Vielfalt der Gesellschaft wird wachsen, die  berühmte Schere zwischen arm und reich, gebildet und ungebildet wird größer werden, die täglich wahrgenommene Fremdheit wird wachsen, so Dr. Eichert.

Wie kann vor diesem Hintergrund unsere Gesellschaft gestaltet werden? Dr. Eichert verweist auf fünf Bausteine, die eine solide Grundmauer bilden können: Wer bin ich? Wer ist der Andere? Was macht uns verschieden? Was ist uns gemeinsam? Was können wir gemeinsam tun? Wichtige Voraussetzungen, die das Engagement Einzelner oder Gruppen in und für die Gesellschaft fördern, sieht Dr. Eichert in Folgendem:

  • Ein Mensch möchte wahrgenommen werden, dann ist er eher bereit, bei einem Projekt mitzumachen.
  • Ein Mensch möchte das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Er muss sich dabei fragen: Von wem will ich gebraucht werden?
  • Wir stärken unser Selbstbewusstsein, indem wir uns verabschieden von dem Gedanken „Vater Staat wird’s schon richten“. Andernfalls geben wir unsere Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten auf und fördern das „Einrosten“ unserer Gesellschaft.
  • Im Bewusstsein unserer individuellen Freiheit engagieren wir uns. Freiheit, die (staatlich garantiert) erhalten bleibt, fördert gesellschaftliches Engagement. Freiheit ist nicht für mich alleine da, sondern verlangt Solidarität.
  • Wir fragen: Wem ist es nicht egal, was hier passiert? Was ist uns nicht egal?
  • Wir verabschieden uns von der Illusion einer homogenen Gesellschaft . Wir lassen uns auf Vielfalt ein, d.h. wir berücksichtigen unterschiedliche Bedürfnisse und Umstände. Wir verabschieden uns von dem immerwährenden Ruf nach „Gleichbehandlung“(was ist das eigentlich?), denn  „Ungleiches gleich zu behandeln ist auch nicht richtig“, so Dr. Eichert gegen Ende seines Vortrags.
  • Wir wissen, die Initiative zur Veränderung, zur Verbesserung , zum gelingenden Miteinander in einer Gesellschaft muss „von unten“ kommen.

Zurück zum WIR des Anfangs. Als „Wir“ auf Deutschland bezogen, sieht Dr. Eichert alle, die hier rechtmäßig leben. Das „Wir“ des WEG sind dann wohl alle, die hier arbeiten und stundenweise hier „wohnen“ und die Vielfalt ist nicht zu übersehen. Könnte es sich lohnen, immer mal wieder die Komfortzone der eigenen Klasse, Clique, des Vereins, der Herkunft, des finanziellen Status zu verlassen? Vielleicht gibt es „total spannende“ Mit-WIRs zu entdecken? WIR können auch  fragen: Was ist uns nicht egal wie es passiert?

Eine ausführliche Diskussion schloss sich mit zahlreichen Fragen der interessierten Zuhörer an, die von Marion Kuchenny von hr1 geleitet wurde und nach fast drei Stunden einen interessanten Abend mit einem Dankeschön an den ausgezeichneten Referenten beendete.

Andrea Heyne-Hillrichs

Confidentia in futurum