Geschichtsexkursion
Die komplette Jahrgangsstufe 9 machte am 09. Juni 2016 eine Geschichtsexkursion ins ehemalige Konzentrationslager Osthofen. Mit dabei waren Herr Arnold, Herr Okunowski, Herr Walter und Herr Wilkens. Vorweg: Das dortige Konzentrationslager war kein Vernichtungslager, sondern „nur“ ein Gefängnis, in dem die Insassen in der Regel vier Wochen inhaftiert wurden. Diese waren meistens Sozialdemokraten oder Kommunisten, die auch zu Zwecken der Abschreckung dort einsaßen. Was auch noch anfänglich zu erwähnen ist, ist dass das Lager im Zeitraum von 1933 bis 1934 als solches genutzt wurde (vorher war es eine Papierfabrik, die einem Juden enteignet worden war) und es somit noch vor dem Krieg wieder geschlossen wurde. Das kann auch ein Grund dafür sein, dass dort niemand gestorben ist. Oft wurden die Gefangenen auch “rechtzeitig” entlassen.
Morgens um 8:10 machten wir uns von Büdingen aus auf den Weg ins eineinhalb Stunden entfernte Osthofen. Dort angekommen wurden jeder Klasse verschiedene Betreuer zugeteilt, die uns durch die Gedenkstätte führten. Angefangen hat unsere Führung vor den Toren des Lagers. Dort erfuhren wir, wie die Inhaftierten in das Lager gebracht wurden. Die Inhaftierungen fanden meist tagsüber statt, sodass möglichst viele Außenstehende das Geschehen beobachten konnten, um die Gefangenen bloßzustellen. Danach besichtigten wir den Hof, wo sich auf kleiner Fläche manchmal bis zu 400 Leute aufhalten mussten. Dort befand sich ebenfalls die Latrine, die meist von jüdischen Gefangenen entweder mit Essbesteck oder per Hand ausgehoben und v. a. auch gereinigt werden musste.
Nächste Station war der „Schlafraum“, in dem auf engstem Raum zirka 400 Personen ihre Nacht, so gut es denn möglich war, verbringen mussten. Im Winter bekamen die Inhaftierten Stroh, um darauf liegen zu können. Unabhängig von der Jahreszeit bekamen sie auch Holz, aus dem sie sich dann selbst Pritschen, Tische und Stühle bauten. Morgens hatten die 400 Häftlinge 30 Minuten Zeit, um sich alle an zwei Wasserhähnen zu waschen. Die ersten konnten noch das eiskalte Wasser nutzen, für die, die in der Schlange hinten standen, blieb nur etwas Sand, um sich den groben Dreck etwas vom Körper zu entfernen. Danach wurden sie in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt, die sowohl außerhalb als auch innerhalb des Geländes mehr oder weniger sinnvolle Aufgaben zu erledigen hatten. Des Weiteren hatten sie so gut wie nichts zu essen, außer wenn ein Besuch der Presse anstand.
Viele Wärter quälten die Gefangenen absichtlich, um sich daran zu erfreuen. Zum Beispiel gab es auf dem Gelände einen eingezäunten Bereich, der sich „die Arena“ nannte, in dem Gefangene bis zur Erschöpfung im Kreis rennen mussten. Die Wärter schlossen Wetten darauf ab, wer denn am längsten durchhalten könne. Beschäftigt wurden Gefangene auch durch sinnlose Aufgaben wie beispielsweise das Geradeklopfen eines zuvor krummgeklopften Nagels. Bei der Entlassung musste jeder Gefangene unterschreiben, dass er während seines Aufenthalts nie misshandelt wurde, dass er arbeitsfähig ist und sich nie wieder politisch engagieren werde. Wenn sie sich weigerten, wurden sie in das in der Nähe liegende „Zweite Lager“ gebracht. Dort wurden die Insassen systematisch gefoltert und noch schlechter behandelt als im „normalen“ Lager.
In der Zeitung wurde das Lager als etwas „Gutes“ für „schlechte Menschen“ dargestellt. In einem Zeitungsartikel wurde das Lager als „Besserungsanstalt“ beschrieben. Es wurde auch beispielsweise ein Foto veröffentlicht, auf dem man Inhaftierte bei einer reichhaltigen Mahlzeit sah, und so der Anschein erweckt, als würde es den Leuten dort gut gehen (Die Häftlinge durften jedoch keinen Bissen von den Speisen zu sich nehmen). Außerdem gab es in dem Lager einen Arzt, der die Inhaftierten immer als arbeitsfähig bezeichnen sollte. Dies tat er auch, jedoch ohne sie in Augenschein zu nehmen. Sind denn viele Insassen aufgrund der Umstände geflohen? Gelegenheiten zu fliehen gab es oft, jedoch haben es nur zwei Inhaftierte überhaupt versucht (In beiden Fällen verlief dies erfolgreich). Einer der Geflohenen hieß Max Tschornicki. Er hatte seine Flucht lange geplant. Die anderen Häftlinge lenkten die Wärter ab, sodass er entfliehen konnte. Er floh nach Frankreich, nachdem Deutschland aber Frankreich besetzt hatte, wurde er ins KZ Auschwitz gebracht und dort ermordet. Der zweite Geflohene hieß Wilhelm Vogel. Dieser floh spontan, als er das Auto des KZ-Leiters reinigen sollte. Seine erste Station war ebenfalls Frankreich. Danach begab er sich jedoch nach Spanien und war dort Widerstandskämpfer. Als der Widerstand dann jedoch zerschlagen worden war, schloss er sich der britischen Armee an, kämpfte in Deutschland gegen die Nazis und überlebte den Krieg.
Diese Exkursion war für uns eine lehrreiche und interessante Erfahrung, die man so schnell nicht wieder vergisst. Wir denken, dass, auch wenn die Zeit des Nationalsozialismus lange her ist, es wichtig ist, sich über die damaligen Zustände zu informieren und für die Zukunft daraus zu lernen.
Anne Weber und Noah Kraus